Bild des Monats August 2024: Mord im Moor - Libellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz

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Bild des Monats
Mord im Moor

Das hier, ist mal ein echter Libellen-Krimi - real live!

Anfang Juni waren wir in einem Moor im Landkreis Diepholz (Niedersachsen). Eine Freundin hat uns einen Tipp gegeben und gesagt: "Da müsst ihr unbedingt hin, da liegen über tausend Libellenflügel auf dem Weg. Wer weiß, was da passiert ist."

Ehrlich gesagt haben wir so etwas noch nie gesehen. Überall auf dem Weg lagen Libellenflügel - Hunderte! Als hätte man sie mit einer Schere sauber von den Libellen abgeschnitten.

Vierfleckflügel
8 Vierfleckflügel von insgesamt mehreren hundert Flügeln
Oben links sind zwei weitere Flügel zu sehen, hier kann man deutlich erkennen, dass es sich um Flügel der Vierflecklibelle handelt.

Etwa 90 % der Flügel stammten vom Vierfleck, der Rest von der Nordischen Moosjungfer und der Becherjungfer. Dazu kamen über 100 von innen ausgefressene Vierflecklibellen. Der Zustand der Flügel war überall gleich, es gab keine abgenutzten oder ausgefransten Flügel. Auch die leeren Körper sahen alle gleich aus. Die Libellen waren nicht nur alle sehr jung, sie müssen auch alle innerhalb weniger Tage gestorben sein.
Auf diesen drei Bildern sieht man den Zustand der Vierflecklibellen.

Vierfleck
Von innen ausgefressener Vierfleck
Dieser Vierfleck lag mit der Unterseite nach oben, aber sonst saßen alle so da, als ob sie eine kurze Flugpause gemacht hätten.
Vierfleck
Vierfleck
Die toten Libellen waren fast alle gleichmäßig über den Weg verteilt. Die Flügel lagen immer in Vierergruppen zusammen, was darauf schließen lässt, dass den Libellen am Boden die Flügel abgetrennt wurden. Bis auf ganz wenige Ausnahmen saßen die von innen ausgefressenen Libellen alle ganz normal auf dem Torfboden, als wollten sie gleich wieder wegfliegen. Das war schon ein bisschen gespenstisch.

Wir sind nur einen Teil (ca. 600 m) des Hauptweges abgegangen, da waren überall Libellen. Der Weg ist aber viel länger, auch da waren überall Flügel. Auf den Nebenwegen zu den Gewässern, habe ich keine toten Libellen gefunden. Auch neben dem Hauptweg habe ich keine Libellenreste gesehen.

Es bleib die spannende Frage: WAS IST DA PASSIERT ?
Weg der toten Libellen
Ich fasse die Fakten noch einmal zusammen:
  1. Allein an einem Hauptweg im Moor lagen vermutlich über 1000 tote Libellen oder deren Überreste.
  2. Über 100 Vierfleck-Libellen waren von innen heraus aufgefressen, nur der Chitinpanzer und die Flügel waren noch vorhanden.
  3. Alle Vierfleck-Libellen waren etwa gleich alt - es gab keine sehr alten oder frisch geschlüpften Libellen.
  4. Da so viele Libellen an diesem Ort waren, kann man davon ausgehen, dass sie noch nicht geschlechtsreif waren. In der Reifezeit bleiben viele Libellen (m+w) zusammen in Gewässernähe.
  5. Die gleichmäßige Verteilung und der Zustand der Libellen deutet darauf hin, das dieses Ereignis in wenigen Tagen (vielleicht auch nur an einem Tag) passiert ist.
  6. Der Weg ist durch Bäume und Sträucher gut vor Wind geschützt.
  7. Auf den Nebenwegen zu den Gewässern fanden wir keine toten Libellen. Diese Wege waren aber auch nicht windgeschützt. Auf beiden Seiten gibt es dort vernässte Moorflächen.
  8. An diesem Tag haben wir nur wenige Vögel gesehen, aber ich muss dazu sagen, dass wir auch nicht danach gesucht haben. Aber wir haben relativ viele Vögel gehört.
  9. Waldameisen gab es natürlich an mehreren Stellen.

Natürlich weiß ich nicht mit Sicherheit, was dort wirklich passiert ist, aber ich kann es mir ungefähr vorstellen.
Obwohl es tagsüber oft recht warm war, hatten wir Ende Mai/Anfang Juni noch sehr kalte Nächte. Der Torf hat sich also tagsüber erwärmt. Torf kann Wärme gut speichern und Libellen können Infrarotlicht (Wärmestrahlung) sehen. Im Gegensatz zu uns können Libellen sehen, wo es warm ist. Und genau das wurde ihnen hier zum Verhängnis!

Gut eine Woche vor diesem Ereignis gab es ein Massenschlüpfen von Vierflecklibellen. An diesem Abend saßen die Libellen auf dem Torf, um sich aufzuwärmen - und dann kam die kalte Nacht. Der Torf kühlte aus und mit ihm die Libellen. Am nächsten Morgen saßen die Libellen regungslos auf dem kalten Torf und warteten auf die wärmende Sonne, um wieder auffliegen zu können. Libellen sind Kaltblüter, nur die Sonne gibt ihnen genug Wärme, um fliegen zu können. Doch diesmal kam keine Sonne, denn der Schatten der Bäume verhinderte, dass das Sonnenlicht den Boden oder die Libellen rechtzeitig erwärmte.

Auf dem dunklen Torfboden waren die Libellen schlecht getarnt und somit für alle Vögel eine gut sichtbare Beute. Da die Libellen wegen der Kälte nicht wegfliegen konnten, brauchten die Vögel sie nur aufzusammeln. Vögel zwicken den Libellen immer zuerst die Flügel mit dem Schnabel ab, da die Flügel für sie ohnehin keinen Nährwert haben und die Libellen so nicht mehr entkommen können.

Etwa zur gleichen Zeit suchten die ersten Waldameisen nach etwas Essbarem und fanden die Libellen. Es dauert nur Sekunden, bis aus einer Ameise viele werden. In unserem Film "Könige für einen Sommer" gibt es eine Szene, in der eine frühe Adonislibelle beim Schlüpfen von einer Ameise gefunden wird. Tatsächlich wimmelte es Sekunden später nur so von Ameisen.
In beiden Fällen haben die Libellen keine Chance zu entkommen. Die Ameisen greifen also die wehrlosen Vierflecklibellen an, töten sie und schneiden dann ihr Fleisch an Ort und Stelle aus dem Chitinpanzer heraus, da die Libellen zu groß sind, um sie in einem Stück weg zu tragen.

Aber auch Wespen haben an diesem Festmahl teilgenommen, denn wir haben auch Libellen ohne Kopf gefunden. In unserem Film haben wir übrigens auch eine Szene, in der eine Wespe einem fast toten Blaupfeil den Kopf abbeißt. Wespen können den Kopf gerade noch im Flug tragen, aber mehr schaffen sie nicht.

Wenn ich mir das alles bildlich vorstelle, ist das ein Wahnsinn. Mehrere hundert Libellen sterben in wenigen Stunden, auf dem kurzen Weg. Auch wenn das Natur ist, von so einem Massaker habe ich bis jetzt weder gehört, noch es jemals gesehen.

Ob das wirklich so ablief kann ich, wie gesagt, nicht mit Sicherheit sagen. So stelle ich es mir halt vor.
Was denkt Ihr, seid Ihr anderer Meinung?


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