Bild des Monats
Wer schlüpft denn da?
Das schöne bei den Libellen ist,
dass man immer wieder überrascht wird!
Die Vierflecklibelle (Libellula quadrimaculata) gehört zu den ersten Großlibellen, die im Frühjahr an den Ufern von Teichen, Seen und langsam fließenden Gewässern erscheinen. Der Vierfleck ist eine weit verbreitete Art, die durch ihre zwei charakteristischen dunklen Flecken auf jedem Flügel leicht zu erkennen ist.
Im Mai, sobald die Temperaturen stetig wärmer werden, beginnt der Schlupf der Vierflecklibellen. Nach zwei Jahren unter Wasser kriechen die Larven aus ihren Gewässern, um sich ein letztes Mal zu häuten. Interessanterweise wählen manche Larven dabei überraschende und für das Schlupfsubstrat untypische Orte. In der Regel suchen sich die Vierfleck-Larven einen Pflanzenstängel in Ufernähe, aber es geht offenbar auch anders...
...wie im Fall von Helmut Hanssen. Herr Hanssen schrieb mir folgende Zeilen:
"Moin aus Wiesmoor,
ich sitze heute morgen mit meiner Frau am Frühstückstisch und plane die Route für eine Libellenexkursion. Da fällt mein Blick auf den Hochlehner gegenüber und ich kann nur noch staunen. Ein Vierfleck beim Schlupf.
Das Exemplar muss die Böschung unseres Teiches an der Terrasse hochgekraxelt und ca. 6 Meter über diese bis zu dem Gartenstuhl gewandert sein. So konnte ich den Schlupf während des Frühstücks ohne Bücken und auf die Knie gehend, in Ruhe genießen. So beginnt ein Libellentag in Ostfriesland."
Ich habe schon viel gesehen und gehört, aber diese Mail hat mich wirklich überrascht - Herr Hanssen, vielen Dank für die Fotos und für die tolle Geschichte!

Schlupf einer Vierfleck-Libelle

Schlupf einer Vierfleck-Libelle
Wie gesagt, es gibt Libellen, die mich immer wieder überraschen. Der Vierfleck gehört ganz sicher dazu.
Normalerweise schreibe ich den Text zum "Bild des Monats" immer in der letzten Woche des Vormonats. Jetzt ist es Anfang Mai und bei mir am Teich wimmelt es von schlüpfenden Vierflecks - ich bin begeistert. Normalerweise habe ich 3, maximal 5 Schlüpfe dieser Art, aber dieses Jahr ist alles anders. Wir haben im letzten Sommer fast alle Fische entfernt und damit das Gleichgewicht im Teich massiv verändert. Zu dieser Aktion gibt es eine eigene Seite, die ich immer wieder aktualisiere. Tatsächlich habe ich seit einer Woche über 30 schlüpfende Vierflecks gezählt. Heute (5.Mai) hatte ich nur 2 Schlüpfe, aber auch da haben mich die Vierflecks überrascht. Das Wetter war echt ungemütlich, ich hätte nicht gedacht, dass heute eine Libelle schlüpft. Die letzten Tage schien immer die Sonne und es war angenehm warm, aber heute war es dagegen recht kühl, sehr windig und es sah nach Regen aus.
Um 9.oo Uhr habe ich die beiden Libellen gesehen. Die erste war noch in der Larvenhaut und die zweite hatte die Flügel schon fast ganz aufgepumpt. Gegen 14.oo Uhr kam ein Platzregen mit richtig dicken Tropfen. Ich bin sofort raus, um nach den Libellen zu sehen, die erste war weg, ihre Exuvie lag am Boden. Ich denke, das sie ein Vogel, oder ein Frosch gefressen hat. Die zweite war eigentlich fertig, aber ihre Flügel waren noch zusammen - so dass sie sich nicht in Sicherheit bringen konnte. Ich nahm sie mit zu unserem Windfang vor der Haustür, dort war sie wenigstens vor dem Regen sicher. Der Schlupfbeginn war nun gut 3 Stunden her, eigentlich hätten sich die Flügel schon öffnen müssen.
Ich hatte ein wenig Panik, dass die Flügel verklebt sein könnten - aber auch mit Lesebrille sah alles gut aus, also ließ ich sie erst mal sitzen. Gegen 16.oo Uhr waren die Flügel immer noch zu, über 7 Stunden nach Schlupfbeginn! Das hatte ich noch nie gesehen oder gehört. Also schob ich vorsichtig einen Grashalm zwischen die Flügel - kein Widerstand. Der Vierfleck saß ganz ruhig da, er zuckte nicht einmal. Die Flügel blieben geschlossen.

Ein anderer Vierfleck - eine Stunde nach Schlupfbeginn
Oben im Bild ist ein weiterer Vierfleck mit geschlossenen Flügeln zu sehen. Großlibellen können ihre Flügel nur während des Schlüpfens so geschlossen halten, sobald sie ihre Flügel zum ersten Mal richtig öffnen, können sie sie nie wieder so schließen. Ihnen fehlt ein Muskel, den die Kleinlibellen aber haben. Deshalb können Kleinlibellen ihre Flügel so geschlossen halten und adulte Großlibellen nicht.
Erst um 17.20 Uhr öffnete mein Vierfleck seine Flügel - endlich!
Zu diesem Zeitpunkt hatte es schon lange nicht mehr geregnet. Ich dachte, jetzt fliegt er weg, aber nein, um 23.00 Uhr saß er immer noch da. Offensichtlich fühlte er sich bei uns sicher. Das ist übrigens nicht die erste Libelle, die nach so einer Aktion bei uns vor der Haustür landete. Fast alle haben dann dort die Nacht verbracht. Ich warte immer noch darauf, das eine Libelle nochmal wieder kommt - das ist aber in 15 Jahren, so weit ich weiß, nicht passiert.

Mein Vierfleck im Windfang
Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass manche Libellen verstehen, dass man ihnen nur helfen will. Gerade wenn es anfängt zu regnen, scheinen die Libellen beim Schlüpfen für jede Hilfe dankbar zu sein.