Bild des Monats
Die Geburt einer Weidenjungfer-Larve
Die "wirkliche Geburt" einer Libelle kann man normalerweise nicht sehen, denn Libellen schlüpfen als Prolarven aus Eiern. Die Eier sind kleiner als 1 mm im Durchmesser. Je nach Art wurden die Eier von den Libellenweibchen in Pflanzenteile gestochen, oder aus der Luft ins Wasser geworfen und liegen jetzt irgendwo zwischen Wurzeln oder im Dreck am Gewässerboden. Dort ein Ei zu finden ist aussichtslos. Es gibt aber eine Ausnahme - die Weidenjungfer, sie ist ein schönes Beispiel für die Geburt einer Libellenlarve. Ihre Eier überwintern unter der Rinde von jungen Weidenzweigen, die über das Gewässer ragen.
Die Prolarven der Weidenjungfer kommen also nicht unter Wasser zur Welt, sondern in luftiger Höhe, in einer kleinen Höhle unter der Rinde einer Weide. Im März, wenn es langsam wärmer wird und man bei den Weiden die ersten Blätterknospen sieht, ist es Zeit für die Prolarve ihren Zweig zu verlassen. In diesem Moment sieht die Libellenlarve zum ersten mal das Licht der Welt - und die Libelle wird geboren. Was bei vielen Tieren und bei uns Menschen sehr spektakulär aussieht, ist bei der Libelle eher langweilig. Dafür gibt es, rein optisch gesehen, 2 gute Gründe: zum einen ist die Prolarve nur ein 1,5 mm langer Wurm ohne Gliedmaßen. Und zum anderen, befreit sich dieser Wurm in nur wenigen Sekunden aus einem winzigen Loch in der Rinde um anschließend sofort ins Wasser zu springen. Wenn man aber mal hinter die Kulissen schaut, findet in diesem Moment etwas wirklich faszinierendes statt - die Geburt einer Libelle !
Diese erste Lebensphase der Libelle ist schon primitiv; die Prolarve verfügt weder über Beine noch Fühler. Ihre Gestalt ist weit entfernt von der Eleganz und Agilität, die Libellen im Erwachsenenstadium auszeichnet. Doch gerade diese Unscheinbarkeit birgt den Beginn eines der beeindruckendsten Transformationsprozesse in der Natur.
Der entscheidende Moment in diesem frühen Stadium ihres Lebens ist, wenn die Prolarve sich aus ihrer schützenden Höhle unter der Weidenrinde herauswagt. Dieser Moment markiert den Beginn einer Reise, die sowohl gefährlich als auch entscheidend für ihre weitere Entwicklung ist. Mit einem mutigen Sprung verlässt die Prolarve die Sicherheit ihres Geburtsortes und taucht ins kalte Wasser ein. Dieser Sprung ins Unbekannte ist nicht nur wörtlich zu nehmen, sondern symbolisiert auch den Übergang von einem Leben in verborgener Stille zu einem aktiven Dasein in einem Gewässer, das von nun an ihr Zuhause sein wird.
Auf dem Video des Monats sieht man wie die 1,5 mm große Prolarve gerade ihre "Höhle" verlässt.
(Die Fotos habe ich mit einem Retro-Adapter und einem Weitwinkel-Objektiv gemacht. Ich bekomme damit eine 12-fache Vergrößerung mit einer guten Bildqualität hin. Zusätzlich habe ich die Aufnahmen gestackt um alles möglichst scharf ablichten zu können. Das Foto besteht tatsächlich aus 100 Bildern. Ein Programm berechnet dann aus den Bildern eine 3D-Ansicht, die ich in einem weiteren Schritt animiert habe.)
Eine Weidenjungfer wird geboren.
Kaum im Wasser angelangt, steht die Prolarve vor der nächsten Herausforderung: der ersten Häutung. Innerhalb von wenigen Sekunden vollzieht sich ein atemberaubender Wandel. Die kleine Prolarve häutet sich und entledigt sich ihrer primitiven Form, um als Larve mit sechs Beinen, zwei Fühlern und einer Fangmaske neu geboren zu werden. Diese Transformation ist von entscheidender Bedeutung, da sie der Larve die Mobilität verleiht, die für das Überleben und die weitere Entwicklung in der aquatischen Umgebung unerlässlich sind.
Von diesem Moment an beginnt die Larve ihr neues Leben im Wasser, ausgestattet mit den Werkzeugen, die sie benötigt, um zu wachsen, zu jagen und letztendlich sich in eine erwachsene Libelle zu verwandeln. Die Geburt und der Übergang von der Prolarve zur Larve ist, wenn man es nicht nur rein optisch betrachtet, ein kleines Wunder - so wie jede Geburt!
Auf dem Foto unten ist die Weidenjungferlarve - also die Prolarve nach ihrer ersten Häutung. Die Larve ist jetzt von den Fühlerspitzen bis zum Ende ihrer Hinterleibsanhänge 3 mm lang.
Weidenjungferlarve nach ihrer ersten Häutung